Roland WEBER / 1. November 2023
© Franz Nechansly
Offene Aufbahrungen wurden höchstens bei prominenten Persönlichkeiten in Erwägung gezogen und durchgeführt. Mittlerweile hat sich die Begräbniskultur geändert und offene Aufbahrungen sind häufiger geworden.
Eines gleich vorweg: Die Thanatopraxie ist keine Wissenschaft, die man so nebenbei im Schnellverfahren erlernen kann oder die jede Person ausüben darf. Es ist eine schwierige und umfangreiche Zusatzqualifikation, für die es notwendig ist, die Bestatterprüfung zu haben und als Bestatter zu arbeiten.
Die hochwertige Spezialausbildung besteht aus rund 230 Stunden Theorie und Praxis. In der Ausbildung selbst erlernt man unter anderem die arbeitsmedizinischen Grundlagen, die Anatomie des Menschen, die Grundlagen der Pathologie und die Techniken der Thanatopraxie. Unterrichtet werden aber auch Aspekte der Ethik und religiöse und trauerpsychologische Aspekte sowie Hygiene und Mikrobiologie. Natürlich lernt man auch die rechtlichen Grundlagen. Dazu kommt eine praktische Ausbildung, bei der man unter anderem den Umgang mit dem Skalpell und anatomischen Instrumenten lernt, wie man Totenmasken, Handabdrücke oder einen Fingerprint anfertigt.
Gesetzliche Grundlagen wurden geschaffen
Noch bis vor wenigen Jahren war die hygienische Grundversorgung einer verstorbenen Person bis zum Bestattungszeitpunkt ausreichend. Offene Aufbahrungen wurden höchstens bei prominenten Persönlichkeiten in Erwägung gezogen und durchgeführt. Mittlerweile hat sich die Begräbniskultur geändert und offene Aufbahrungen sind häufiger geworden. Dazu kommt, dass Verstorbene oft in ein anderes Bundesland oder ins Ausland überführt werden. Dadurch ist es notwendig und rechtlich vorgeschrieben, dass ein Thanatopraktiker beigezogen wird. Österreich war eines der ersten Länder in Europa, in der die moderne Form des Einbalsamierens auf eine gesetzliche Grundlage gestellt wurde. Das Bundesgesetzblatt BGBL II/2018/2006 regelt die Aufgaben und Pflichten eines Thanatopraktikers.
„Unter Thanatopraxie sind insbesondere die Verzögerung der Autolyse (Verwesung) und die rekonstruktiven Arbeiten z.B. an einem Unfalltoten sowie die Wiederherstellung der optisch-ästhetischen Erscheinung von Verstorbenen zum Zweck der pietätvollen Abschiednahme unter Berücksichtigung der jeweils geltenden landesrechtlichen Vorschriften zu verstehen.“ Soweit der Paragraph (§) 1 des Gesetzestextes.
Für den Trauerprozess wichtig
Gerade in kleinen Ortschaften, wo man sich persönlich kennt, ist das Abschiednehmen am offenen Sarg im Familien- oder Freundeskreis nicht mehr so selten wie früher. Franz Nechansky bestätigt, dass das auch ein „sehr wichtiger Schritt im Trauerprozess ist, um Abstand zu gewinnen und den Todesfall gut zu verarbeiten.“ Nach dem Tod eines nahestehenden Familienmitgliedes kann das zum Beispiel für Kinder hilfreich sein. Gleiches gilt, wenn eine verstorbene Person durch einen Unfall, ein Gewaltverbrechen oder Selbstmord plötzlich aus dem Leben gerissen wurde. Hier ist die Arbeit des Thanatopraktikers wesentlich. Es gilt, Verletzungen zu verdecken und Verstorbene ästhetisch und optisch für die Aufbahrung vorzubereiten. Wenn Verstorbene ins Ausland überführt werden oder wenn der Begräbnistermin zu einem späteren Zeitpunkt stattfindet, dann ist es unter Einhaltung der hygienischen und sanitätspolizeilichen Richtlinien ebenfalls notwendig, die Arbeit eines Thanatopraktikers in Anspruch zu nehmen.
Persönliches Interesse war ausschlaggebend
Die Familiengeschichte des Bestattungsunternehmens von Franz Nechansky geht bis ins Jahr 1892 zurück. Er selbst hat die kommissionelle Prüfung zum Thanatopraktiker als geprüfter Bestatter 2007 absolviert. Er ist einer von etwa 100 Thanatopraktikern in ganz Österreich „Mein persönliches Interesse für Anatomie und die Möglichkeit einer hochqualifizierten Zusatzausbildung haben mich motiviert“, so Nechansky im Gespräch. Mittlerweile hat auch sein Mitarbeiter die Ausbildung absolviert. Das, so Nechansky, sei „sehr wichtig, weil dadurch die Verantwortung nicht nur auf einer Person im Betrieb liegt und der Mitarbeiter eine hochqualifizierte Ausbildung erhalten hat.“
Eines bestätigt auch Franz Nechansky: Nicht jede Person ist für den Beruf des Bestatters geeignet. Bleibt die Frage, ob es für die Branche ein Nachwuchsproblem gibt. Franz Nechansky verneint und meint: „Es gibt zwar fast keine Quereinsteiger in unserer Branche, aber bei den Bestattern gibt es keine Nachwuchsprobleme.“ Man fragt sich überdies, wie betroffen man selbst ist, wenn man jeden Tag mit dem Tod zu tun hat? „Natürlich grenzt man sich ab, aber wenn jemand in der eigenen Familie oder im Freundeskreis stirbt, dann ist man selbstverständlich genauso betroffen, weil dann ist man auch Sohn, Tochter, Partner oder Partnerin beziehungsweise Freundin oder ein Freund. Nach einer ersten Phase der Trauer beginnt man dann die tägliche Arbeit und die Behördenwege genauso zu erledigen. Das ist auch gut so und lenkt ab“, so Franz Nechansky.

Bei der Ausbildung lernt man unter anderem den Umgang mit dem Skalpell und anatomischen Instrumenten, wie man Totenmasken, Handabdrücke oder einen Fingerprint anfertigt.
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