Nicole MÜHL / 27. Feber 2025
© Land Burgenland Archivfoto
Das Frauenhaus Burgenland wurde vor 20 Jahren, im Jahr 2004, gegründet. Ursprünglich wurde das Frauenhaus vom Verein „Die Treppe“ geführt. Im Jahr 2021 wurde es in die Landesholding-Tochter Soziale Dienste Burgenland (SDB) eingegliedert. Maßgeblich an der Verwirklichung des Frauenhauses beteiligt waren Gabriele Arenberger, Andrea Gottweis, Verena Dunst und Grete Krojer. Die Architektinnen Sonja und Michaela Kremsner (am Foto 2.v.l., hinten) entwarfen den Umbau eines alten Sozialhauses in Eisenstadt zu einem flexiblen Frauenhaus mit mindestens zehn Wohneinheiten, Küche, Arbeitsräumen und Hobbyraum.
Sind 20 Jahre nicht ein viel zu junges Jubiläum für ein Frauenhaus?
Verena DUNST: Man muss bedenken, dass vor mir mit Christa Krammer und Christa Prets erst zwei Frauen in der Landesregierung waren. Die Zuständigkeit war damals zwar Familie, aber es hat kein eigenes Frauenreferat gegeben. Ich bin im Dezember 2000 angelobt worden und bereits drei Monate später hab ich ein eigenes Frauenreferat eröffnet. Dann hat die Arbeit begonnen mit dem Fokus auf Kinderbetreuung, Frauen- und Mädchenarbeit, ich habe dann auch geschaut, dass Frauenberatungsstellen ausgebaut werden.
Um Ihre Frage zu beantworten, wie weit hinten das Burgenland war, ein Erlebnis, das ich nie vergesse: Im Mai 2001 fuhr ich das erste Mal auf eine überregionale Frauenkonferenz und ich habe mir dort gedacht: „In welchem Loch kann ich mich verstecken?“ Da bin ich erst darauf gekommen, dass es bei uns nichts gibt – unter anderem eben auch kein Frauenhaus. Ich hab mich dort wirklich geschämt. Aber ich hab mir gesagt, gut, dann werde ich eines eröffnen.
Wie schwer war der Weg dorthin?
Das war Pionierarbeit. Ich bin damit in die Landesregierungssitzung gegangen und bin davon ausgegangen, dass das ja mit einem Klacks zu realisieren ist. Aber dann war die ÖVP dagegen. Sie meinte, dass wir das im Burgenland nicht brauchen. Ich bin damit einfach nicht durchgekommen. Für mich war somit klar, dass ich das alleine realisieren muss. Ich bin dann an die OSG herangetreten und mit Geschäftsführer Alfred Kollar, mit dem ich bis heute sehr viel im Frauen- und Sozialbereich verwirklicht habe, habe ich dann eine Idee entwickelt: Die OSG hat gebaut und wir haben gemietet. Die Vorbereitung hat eineinhalb Jahre gedauert. 2004 konnte ich dann das Frauenhaus im Burgenland eröffnen. Nicht zuletzt war es auch das Verdienst von drei wichtigen Mitstreiterinnen – den damaligen Abgeordneten Grete Krojer (Grüne), Gabriele Arenberger (SPÖ) und Andrea Gottweis (ÖVP).
Wurde dann der Bedarf erkannt?
Es hat danach nie wieder eine Diskussion im Landtag gegeben. Es hat mich nie jemand angesprochen, wie ich das mache oder schaffe. Aber sicherlich ist die Frauenpolitik durch mich mehr in den Fokus gerückt. Vorher hat kein Mensch über Frauenpolitik geredet. Das hat sich geändert.
Sie galten ja schon sehr früh als Feministin.
Ich war schon 1994 als Nationalrätin in der Frauenarbeit tätig, habe mit den autonomen Frauenhäusern Erfahrungen gehabt und auch mit den damals bereits bestehenden Frauenberatungsstellen. Ich habe auch daran gearbeitet, dass es in Oberwart ein Gewaltschutzzentrum gibt. Mit diesen wichtigen Frauenthemen war ich also schon sehr früh konfrontiert. Als ich im Dezember 2000 angelobt wurde, war das alles nicht neu. Mir war klar, was zu machen ist. Und ja, Sie haben Recht: im Jahr 1982 war ich mit 24 Jahren bereits ehrenamtliche Bezirksfrauenvorsitzende. Seither bin ich in der Frauenpolitik.
Wo sind Sie an Grenzen gestoßen?
Was mich sehr frustriert hat, war die Zahl, dass 55 bis 60 Prozent der Frauen zu ihren gewalttätigen Partnern zurückgehen. Ich habe das nie verstanden. Was ich da diskutiert habe mit den Frauen!
Ein Großteil derer, die ins Frauenhaus kommen, kommt durch die Polizei. Weil die Nachbarn endlich einmal mutig sind und eine Anzeige machen. Wir haben damals natürlich auch Projekte gestartet für mehr Zivilcourage und an die Menschen appelliert, dass sie bitte nicht wegschauen, wenn sie etwas mitbekommen. Ich habe auch da sehr sensibilisieren müssen und auch bei der Polizei hat es Bewusstseinsschulungen gebraucht. Ich habe oft gesagt: „Du kannst mit dem Mann am Sonntag im Gasthaus Karten spielen. Aber als Polizist hast du zu trennen, wenn er wegen Gewalt angezeigt wird.“ Da war so viel Aufbauarbeit nötig – es waren unzählige Projekte – und diese Bewusstseinsbildung ist bis heute notwendig. Wobei ich unbedingt betonen muss, dass die Zusammenarbeit mit der Polizei immer hervorragend war.
Wie hat man früher Frauen geholfen, als es noch kein Frauenhaus gegeben hat?
Es ist kaum jemand gekommen, weil das Thema so tabuisiert war. Und wenn wer gekommen ist, dann habe ich mit den jeweiligen Frauenberatungsstellen geredet und damals schon die Kooperation mit der OSG für Wohnungen gehabt, wo wir die Frauen unterbringen konnten. Da mussten die Frauen aber wirklich bereit sein.
Und viele blieben wohl eher daheim.
Ich will die Frauen jetzt überhaupt nicht verurteilen, weil sie so lange daheim bleiben. Da geht es um das wirtschaftliche Überleben. Sie trauen sich die Unabhängigkeit meist nicht zu. Und sie trauen sich nicht, ihre Kinder aus der Schule zu nehmen. Das ist ein Riesenproblem. Ich habe dann wohnortnahe Unterkünfte mit der OSG zur Verfügung gestellt. Dort sind sie eher hingegangen. Aber ich habe ihnen hundertmal gesagt, dass sie dort nicht sicher sind. Das war denen egal. Es ist um die Kinder gegangen. Frauen sagen heute noch, dass die Kinder zuerst die Pflichtschule fertig machen sollen. Der Ausstieg aus einer Gewaltbeziehung wird immer rausgezögert.
Ist es heute besser?
Die Ausbildung der Frauen ist besser, die Erwerbsquote auch. Deswegen habe ich so viel Wert darauf gelegt, dass auch die Kinderbetreuung ausgebaut wurde. Das muss man alles in einer Achse sehen. Ich habe das immer parallel gesehen, weil eine Frau kann nicht arbeiten gehen, wenn sie zwei Kinder hat im Pflichtschul- bzw. Kinderkrippenalter. 2014 haben wir den ersten gemeindeübergreifenden Kindergarten im Burgenland eröffnet. Alle Bürgermeister, auch die eigenen, haben mir gesagt, das wird nicht angenommen werden, wir brauchen das nicht. Auch im eigenen Klub. Man wollte zuerst eine Umfrage machen. Ich hab ihnen gesagt, ich pfeife auf eure Umfrage, wir machen das. Der Kindergarten war nicht einmal fertig gebaut, da war er voll. Und damit war auch diese Diskussion vom Tisch. Und langsam ist auch die Erwerbsquote von Frauen gestiegen.
Die Erwerbsquote ist die Basis für finanzielle Unabhängigkeit von Frauen, gegen Altersarmut. Wie geht es Ihnen, wenn Sie dann von Vorschlägen der FPÖ wie etwa einer Herdprämie hören – dass Kinder daheim betreut werden sollen?
Es ist ja kein Zufall, dass nur in SPÖ-geführten Bundesländern Kindergarten und Kinderkrippe frei sind. Eine Herdprämie wäre ein enormer Rückschritt in der Frauenpolitik. Ich hab solches Ansinnen schon früher immer als „Mutterkuhprämie“ bezeichnet. Wenn die Frau keiner Erwerbstätigkeit nachkommt, fällt sie sofort in eine Abhängigkeit. Wir brauchen die Frauen auch als Fachkräfte in der Wirtschaft. In diesem Zusammenhang wäre auch eine Abschaffung der Bildungskarenz etwas, wo sich mir der Magen zusammenkrampft. Also beides Vorschläge, die Frauen retour ins 18. Jahrhundert führen, die eine Diskriminierung der Frauen, eine Herabwürdigung der Leistung der Frauen und eigentlich auch eine Schwächung der Wirtschaft darstellen.
Im Vorjahr gab es in Österreich 27 Femizide. Was denken Sie, wenn Sie davon in den Nachrichten hören?
Mein erster Gedanke ist natürlich immer wieder, dass die Frau zu spät gegangen ist. Kinder werden ja auch oft geschlagen. Wir schätzen 35 von 100 Kindern erleben ebenfalls Gewalt, nicht nur die Mama, denn Kinder gehen oft dazwischen. Die Frauen sind da völlig falsch gepolt. Sie sagen, sie bleiben wegen der Kinder. Das ist falsch. Sie müssen gehen wegen der Kinder!
Aus Ihrer Erfahrung: Was ist wichtig, wenn eine Frau den gewalttätigen Mann verlässt?
Sofort gehen! Nicht mehr nach Hause gehen, sondern sich und die Kinder sofort in Sicherheit bringen! Ich kann mich noch an eine junge Mutter erinnern, die auf Rat ihrer Freundin zu mir gekommen ist. Ihr Sohn war eineinhalb Jahre und die Frau hatte Mut gefasst und gesagt, dass sie jetzt heimgeht, um ihre Sachen zu packen. Ich habe zu ihr gesagt, dass sie das auf keinen Fall tun soll. Wir hätten sofort einen Platz im Frauenhaus gehabt. Ich habe ihr gesagt: „Wissen Sie, wie viele Frauen schon ihr Leben lassen mussten, weil sie heimgegangen sind, um zu packen? Sie gehen nicht nach Hause! Sie fahren mit Ihrem Kind sofort ins Frauenhaus und betreten Ihr Haus nur noch mit Polizeischutz!“ Sie hat es mir versichert. Eine halbe Stunde später hat mich ihre Freundin angerufen. Die Frau ist leider doch nach Hause gegangen. Der Mann war daheim und als sie packen wollte, wollte er sie vom Balkon stürzen. Sie ist nur deshalb – zwar verletzt, aber lebend – rausgekommen, weil ihre Freundin sofort die Polizei gerufen hat. Der Mann war übrigens selbst Polizist.
Sind Sie selbst auch bedroht worden?
Ich habe das nie publik gemacht, aber natürlich habe ich mir auch den Zorn von Gewalttätern zugezogen. Einmal hat mir ein Mann vor dem Landhaus aufgelauert. Es war Winter und er ist plötzlich vor mir gestanden und hat gesagt, dass er mich jetzt umbringt, weil ich Schuld habe, dass seine Frau ins Frauenhaus gegangen ist und er sein Kind nicht mehr sieht. Der Portier hat mir damals geholfen. Ich glaube nicht, dass er eine Waffe hatte. Aber das war schon ein einschneidendes Erlebnis.
Haben Sie durch Ihre Frauenpolitik Angst gehabt?
Nein. Ich habe ja gewusst, dass es richtig ist, was ich mache. Ich habe immer gesagt, dass ich für andere stark sein kann, weil es mir so gut geht. Das war immer ein Leitsatz von mir. Der ehemalige Landeshauptmann Hans Niessl hat über mich gesagt, dass ich die Johanna Dohnal des Burgenlandes bin. Das hat mich geehrt und diesem Vorbild versuchte ich immer gerecht zu werden.
Seit 2002 sind Sie auch Präsidentin der Volkshilfe Burgenland. Ist diese Tätigkeit nicht auch eine Fortführung Ihrer Arbeit für Frauen?
Ja, denn 80 Prozent der Menschen, die die Volkshilfe aufsuchen, sind Frauen. Es sind auch Frauen, die in Sozialmärkte gehen.
Was ist Ihr Appell an Frauen, die Gewalt erleben?
Wenn es Frauen schlecht geht und wenn es ums Geld geht – dann bitte, ohne Zurückhaltung – an die Volkshilfe wenden! Wir haben mittlerweile für jede Lebenslage ein System aufgebaut, wo wir helfen können. Wir haben Möglichkeiten! Die zweite wichtige Botschaft ist: Bitte unbedingt eine Ausbildung machen! Weil eine Ausbildung mehr Sicherheit auf einen Arbeitsplatz bietet und das ist die Basis für Unabhängigkeit.
* Johanna Dohnal war ab 1991 die erste Frauenministerin Österreichs. Sie gilt als bekannteste Frauenpolitikerin und
Ikone der österreichsichen Frauenbewegung.

Verena Dunst
Verena Dunst gilt als Galionsfigur in der burgenländischen Frauenpolitik. Im Alter von 22 Jahren gründete sie die SPÖ-Frauen in Güssing und war von 1982 bis 2007 Bezirksfrauenvorsitzende und stellvertretende Landesvorsitzende. Von 2007 bis 2017 war sie Landesfrauenvorsitzende. Von 2000 bis 2018 war sie u.a. Landesrätin für Frauenangelegenheiten. Von 2019 bis 2023 war sie Landtagspräsidentin und die erste Frau in der Geschichte des Burgenlandes, die dieses Amt innehatte. Seit 2002 ist sie auch ehrenamtliche Präsidentin der Volkshilfe Burgenland. In dieser Funktion ist sie heute noch für Frauenagenden aktiv.

MonA-Net wurde im Jahr 2002 von Jutta Zagler im Burgenland gegründet und feierte 2022 sein 20-jähriges Bestehen. MonA-Net kümmert sich um das seelische Wohlergehen von Mädchen und unterstützt bei sozialen Herausforderungen. Der Verein arbeitet eng mit dem Frauenreferat des Landes Burgenland zusammen und führt gemeinsame Projekte durch, um Mädchen für technische und naturwissenschaftliche Berufe zu begeistern.

Verena Dunst in ihrer damaligen Funktion als Frauenlandesrätin
mit den Leiterinnen der Frauenberatungsstellen im Burgenland.
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