Porträt

Musik zum Anfassen

Die Internetplattformen und sogenannten Streamingdienste wie YouTube, Spotify und Co. machen es uns leicht, immer und jederzeit alle erdenklichen Lieblingslieder zu hören. Tonträger wie die CD verschwinden seit Jahren mehr und mehr aus den Regalen. Doch ein noch älteres Relikt aus der Musikwelt erobert die Wohnzimmerarchive seit geraumer Zeit wieder zurück: die Schallplatte. Denn immer mehr Menschen finden wieder Gefallen am Vinyl. prima! zu Besuch beim „Schallplatten-Hannes” im südburgenländischen Hackerberg, dessen Fundus wohl jedes Sammlerherz höher schlagen lässt.

(c) Eva Maria Kamper

Hannes Feichtinger kauft Plattensammlungen an, um sie an Musikliebhaber in Österreich, Deutschland und Südtirol zu verkaufen. Richtig seltene Gustostückerl gibt er allerdings nicht mehr her und stellt sie in seinem Kellerarchiv aus. 

 

Zielstrebig blättert er durch die Plattenkiste, zieht das Album am Umschlag hoch und lässt seinen Blick über das Plattencover streifen. Jawohl, eine gute Wahl, nickt er verschmitzt. Mit gekonntem Schwung gleitet die Vinyl-LP aus der Hülle in seine Hand, um sich im nächsten Augenblick auf dem Teller des Plattenspielers wiederzufinden. Er hebt die Nadel und setzt sie punktgenau an den Rand der drehenden Schallplatte ab. Das charakteristische Knistern erfüllt den Raum, kurz bevor Wolfgang Ambros durch die Boxen klingt. „Das Schöne am Plattenspielen ist, dass man die Musik noch in Händen hält”, sagt der 43-jährige Hannes Feichtinger, der – bekannt als “Schallplatten-Hannes” – eine Sammlung von gut 10.000 Platten besitzt. „Das Öffnen der Hülle, der Duft und die Größe der Bilder und der Texte sind es, was die Faszination ausmachen – und auch, dass man die Platte als Ganzes hört und nicht nur einzelne Lieder. Eine Platte aufzulegen, ist eine ganz eigene Stimmung, es ist Retro, es ist etwas Besonderes!” 

Aus dem Fundus

Vor über 13 Jahren sei er wieder auf die Platten gekommen, erzählt er. Eigentlich wollte er die ausgedienten Spielsachen seiner Kids auf einem Flohmarkt verkaufen, als ihm die Kisten voller Schallplatten am Nachbartisch ins Auge fielen. Und er das Interesse und die Nachfrage der Menschen bemerkte, die diese Kisten hervorriefen. „Ich hab dann kurzerhand eine ganze Sammlung an Platten vom Flohmarkt mit heimgenommen. Sehr zum Leidwesen meiner Frau, die der Meinung war, ich sei zum Verkaufen dort, und nicht zum Einkaufen”, muss Hannes Feichtinger über die Entstehung seines Archivs lachen. Denn aus dieser Idee wurde schnell eine anwachsende Sammlerbörse, denn Angebote an aufgelassenen Sammlungen gab es genug. Als „Schallplatten-Hannes” hatte er sich rasch einen Namen gemacht und sich mit anderen Sammlern vernetzt, um die Gustostückerln wie Erstpressungen oder rare limitierte Platten der vergangen Musikepochen zu vereinen. „Mitunter musste ich jahrelang recherchieren, um an gewisse Platten zu kommen”, erzählt er. Und oft auch kreativ werden. „Ewig hab ich nach der Platte ‘Atemzüge’ von meinem Musikerhelden Georg Danzer gesucht. Dann hab ich direkt den ehemaligen Manager Blacky Schwarz angeschrieben, und ihm ein Bild geschickt, wo alle Danzer Platten am Boden aufgereiht waren, in der Mitte war ein Platz frei für das Fehlende. Dann hat er es mir tatsächlich übermittelt”, ist Hannes Feichtiger stolz. 

Im Keller seines Hauses in Hackerberg befindet sich das große Archiv, das er freitags Nachmittag als Verkaufsraum für alle Interessierten öffnet. Darin finden sich viele alte gebrauchte Platten der rockigen Musikgenres der letzten Jahrzehnte sowie Neuware, da viele Bands erneut auf die Produktion von Schallplatten setzen. Sehenswert ist auch sein privates Archiv aus namhaften Austro-Pop Werken nahezu aller österreichischer Musiker oder die unzähligen Sammlerstücke der australischen Rockband AC/DC. Für junge regionale Rockbands, die ihre Musik wieder auf Schallplatte veröffentlichen, steht er in seinem Keller gerne mit Hingabe als Promotor zur Verfügung. Am 3. Dezember ist er wieder im Oberwarter Pub Tamdhu auf dem Schallplatten-Bazar vertreten. 

„Mit dem Verkaufen, da tu ich mir allerdings immer noch schwer”, lacht Hannes Feichtinger über seine Tätigkeit als Nebenerwerbs-Händler, der seinen persönlichen Profit niemals über den Sinn der ganzen Arbeit stellen will. „Denn selbst, wenn ich für eine seltene Platte gutes Geld erwirtschaften könnte, bringe ich es eigentlich selten bis nie übers Herz, sie herzugeben. Da sind so viele Schätze und zu viel Liebe dabei”, gesteht Hannes Feichtinger über seine Sammlung aus Musik zum Anfassen. 


„Mitunter musste ich jahrelang recherchieren, um an gewisse Platten zu kommen”



Schallplatte an, Welt aus: Rund um die Jahrhundertwende 1900 war das Grammophon und der Tonträger auf Platte eine monumentale Erfindung. Die sich im Grundgedanken scheinbar auch nicht so schnell von Internet und Co. ablösen lässt. Denn der Plattenspieler schafft immer noch ein besonderes Flair.

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