Wo Wissen Früchte trägt. Österreichs erstes Streuobst-Kompetenzzentrum

Könnte ein Fachzentrum für Streuobst stilechter angesiedelt sein als direkt
neben einer Streuobstwiese in einer Streusiedlung? Wahrscheinlich nicht. Darum verwundert es kaum, dass das erste Streuobst-Kompetenzzentrum Österreichs in Burgauberg-Neudauberg im Burgenland, einer charakteristischen Streusiedlung nahe der steirischen Grenze, entstanden ist. Der Verein „Wieseninitiative“ hat das ambitionierte Projekt gemeinsam mit der Gemeinde umgesetzt.

Nicole MATSCH / 29. Jänner 2025

Das erste Streuobst-Kompetenzzentrum Österreichs steht in Burgauberg-Neudauberg.

Schützen, informieren und motivieren

„Vieles fällt herunter und verfault einfach“, bedauert DI Brigitte Gerger, Geschäftsführerin des Vereins „Wieseninitiative“, dass Äpfel, Birnen, Zwetschken und Kirschen oft ungenutzt verkommen. Sie beschreibt damit treffend die derzeitige Verwertungssituation von Streuobst im Südburgenland, wo der Verein seit über 30 Jahren für den Erhalt von Streuobstwiesen kämpft. „Und das nicht nur dort, sondern im ganzen Burgenland. Wir verfolgen den Grundsatz ‚Schutz durch Nutzung‘ und unterstützen Landwirte bei der nachhaltigen Bewirtschaftung ihrer Streuobstwiesen und der Vermarktung der Produkte “, erklärt die Ökologin und Landschaftsplanerin Gerger, die selbst eine kleine Landwirtschaft betreibt. Ein zentraler Ansatz sei dabei die Vermittlung von teilweise vergessenem Wissen über Obstbau und Obstverwertung. „Verwertung ist der sicherste Weg, Streuobstwiesen und damit wichtige Biodiversitätsflächen langfristig zu erhalten. Wir wollen die Leute, auch Privatpersonen, motivieren, ihr Obst wieder zu verarbeiten. Und am besten geht das in einem Zentrum, wo wir das Wissen weitergeben können.“

„Wenn man einem jungen Menschen einen Baum in die Hand gibt, hat er in der Regel keine Ahnung, wie man den richtig pflanzt.“

– Brigitte Gerger über die Notwendigkeit, das Wissen über Obstbau und Obstverwertung zu bewahren und weiterzugeben

So entstand die Idee zum ersten Streuobstzentrum Österreichs, das kürzlich in Burgauberg-Neudauberg in Betrieb gegangen ist. Dazu wurde das ehemalige Gemeindeamt in der Höhenstraße 4 komplett umgebaut. Die Ausschreibung für dieses mit 600.000 Euro budgetierte Projekt – Förderungen wurden im Rahmen von LEADER Projekten generiert – gewann das Architekturbüro Miyako Nairz Architects. Architekt DI Manfred Gräber und seiner Partnerin MArch Miyako Tsutsui Nairz gelang es, die traditionelle Bausubstanz mit modernen ökologischen Standards und einer ansprechenden, nachhaltigen Gestaltung zu verbinden.

Stilvoll „entkernt“ – Ein Statement aus Holz und Glas

Die äußere Gebäudehülle blieb weitgehend erhalten, wurde jedoch nach modernsten ökologischen Standards saniert. „Eine hinterlüftete Holzfassade mit Mineralwolldämmung sowie dreifach verglaste Fenster sorgen für optimale Energieeffizienz. Ein außenliegender Sonnenschutz durch Raffstores an der Westseite schützt vor Überhitzung“, beschreibt Gräber die energetische und ökologische Sanierung. Besonders auffällig ist die naturbelassene Fassade aus Lärchenholz, die dem Gebäude einen warmen und einladenden Charakter verleiht und auch optisch mit dem Neubau des Gemeindezentrums harmoniert. Dieses liegt gegenüber und wurde ebenfalls von Miyako Nairz Architects gestaltet.

„Im Inneren wurde das Gebäude vollständig entkernt und neu aufgebaut“, erklärt der Architekt bei einem Rundgang und zeigt moderne, barrierefreie Räumlichkeiten. Auf einer Nutzfläche von 203 m² beheimatet das Zentrum neben einer Seminarküche mit Vortragssaal auch einen Produktionsraum für Essig, einen riesigen Dörrschrank, ein Kühllager für Apfelraritäten, Lagerräume sowie eine kleine Bibliothek. Eines der Herzstücke der Ausstattung ist zweifellos der kupferne Kolonnenbrennkessel für die Edelbranderzeugung.

In den Räumen dominiert Fichte. Das sieht und riecht man. Regale, Türrahmen, Küchenelemente. Nur eine Lasur schützt das Holz, sonst ist es naturbelassen. Hell, funktional und offen dreht sich hier alles um Streuobst. Das spiegelt sich in Schaubildern, Beschriftungen und in der Motivwand der Küchenzeile wider, die hinter Glas den Ausschnitt einer Baumkrone mit prallreifen Äpfeln zeigt. Große Glasflächen und -türen im Inneren sowie ins Freie unterstreichen den Anspruch der Offenheit.
Architekt Manfred Gräber weist auf eine Terrasse hinter dem Gebäude hin, die als Begegnungszone dienen und den Blick auf den geplanten Schaugarten ermöglichen wird. Schließlich steht das Kompetenzzentrum direkt an einer Streuobstwiese. Die Beheizung des Gebäudekomplexes erfolgt durch die umweltfreundliche Hackschnitzelheizung des Gemeindezentrums, die an das lokale Nahwärmenetz angebunden ist. Warmwasser wird sowohl im Sommer als auch im Winter elektrisch aufbereitet. Die Dachkonstruktion des Gebäudes ist erhalten geblieben und wird von klassischen Dachziegeln geschützt.

Eine Zukunft für Streuobst

Das Zentrum ist öffentlich zugänglich und als Anlaufstelle für Information, Weiterbildung und Forschung rund um das Thema Streuobst gedacht. Durch die Bereitstellung moderner Gerätschaften soll es außerdem die regionale Obstverwertung fördern. Man arbeite schon fleißig an einem bunten Jahresprogramm, auch Schulen sollen eingebunden werden. „Wir versuchen, möglichst alle Organisationen, die in diesem Bereich aktiv sind, ins Zentrum zu holen. Vorträge bzw. Kurse wird es etwa vom Ländlichen Fortbildungsinstitut (LFI) oder von Birdlife geben“, freut sich Gerger, die über die Standortwahl Burgauberg-Neudauberg schmunzelt. „Es war fast ein Zufall“, gibt sie zu. „Ich erzählte Bürgermeister Wolfgang Eder von unserem Vorhaben und er meinte ‚Warum macht ihr es nicht hier? Wir haben ein leerstehendes Gemeindeamt.‘“

Brigitte Gerger konnte es gar nicht erwarten, endlich den Dörrschrank auszuprobieren und damit die ersten Äpfel zu trocknen. Da die alten, regionalen Sorten sehr gut lagerfähig sind, gab es noch Reste der heurigen Ernte zu verwerten. Das Fazit zu den produzierten Apfelringen und -spalten: „So fruchtig und aromatisch, obwohl die Äpfel zum Teil schon etwas schrumpelig waren.“ Das Streuobst-Kompetenzzentrum ist somit voll einsatzbereit und Gerger hofft, dass es Nachahmer finden wird. Die offizielle Eröffnung ist für April geplant. 

Wir haben gebaut

Die Bauarbeiten wurden von der ARGE Streuobstkompetenzzentrum, bestehend aus der Gemeinde Burgauberg-Neudauberg und dem Verein „Wieseninitiative” (DI Brigitte Gerger), beauftragt. Die Planung übernahmen Miyako Nairz Architects (MArch Miyako Tsutsui Nairz, Architekt DI Manfred Gräber). Bauleitung und Bauaufsicht lagen bei der Bau & Architektur GmbH.
Die Ausführung erfolgte durch PORR Bau GmbH, Hero Holzbau GmbH übernahm den Holzbau. Katzbeck Fenster GmbH lieferte die Fenster, Gebäudetechnik Tripamm die HKLS-Technik, und Elektrotechnik Mühl GmbH die Elektroinstallationen. Malerarbeiten führte Fassaden- u. Raumgestaltung Schuster Wolfgang aus, Tischlerarbeiten die Tischlerei Zapfel. Eine Kühlzelle wurde von BRUCHA GesmbH bereitgestellt.

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